Aging Pride im Unteren Belvedere

Wo ist die Zeit hin? Die Frage stellt man sich mit fortschreitendem Alter immer öfter. Im Unteren Belvedere dreht sich die Diskussion in der Ausstellung Aging Pride ebenfalls um das Alter und wohin es in der Gesellschaft verschwunden ist:

Anti-Aging ist in unserer Gesellschaft geläufiger als die Weisheit des Alters, so scheint es. Im Sinne des vorherrschenden Jugendlichkeitskults wird der Umgang mit Alter oft von der Kosmetikindustrie diktiert. Demgegenüber stehen zahlreiche historische und aktuelle Entwürfe von Künstler_innen, die eine andere Idee von Alter verfolgen. Sie sind nun erstmals in einer umfassenden musealen Schau im Belvedere zu sehen.Belvedere

Mich haben die Ausstellungsobjekte der Ausstellung „Die Kraft des Alters“ (bzw. „Aging Pride“) bereits im ersten Raum berührt und ich habe den restlichen Nachmittag darüber nachgedacht, warum ich eigentlich so beeindruckt war. Und abends beim Drink mit der Cousine ist es mir dann aufgefallen: es ist keine monographische Ausstellung, bei der die Bilder bzw. Bildthemen ähnlich sind, sondern es geht um ein Thema, das von vielen Künstlern ganz unterschiedlich aufgearbeitet wurde. Es gibt Installationen, Fotografien, Skulpturen und natürlich viel Gemaltes. Als Besucher kann man diese abwechslungsreiche Präsentation des Themas wirklich genießen – fad wird es nämlich nicht, dafür sorgen nicht zuletzt auch einige nackte Tatsachen!

Die Ausstellungsräume sind nach groben Themen aufgebaut: Einsamkeit ist so ein Thema, das in fortschreitenden Jahren an Bedeutung gewinnt. Der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit des Allein zurück gelassen seins steht aber auch eine Art positive Einsamkeit gegenüber – der bewusste Rückzug auf sich selbst. Einige Werke drehen sich um das Thema Andenken und natürlich geht es auch um das Altern des Künstlers selbst.

Eines meiner Lieblingswerke ist diese Portraitfotografie, der ein Bild derselben Frau vorgeschoben ist. Eine Metapher für „das unaufhaltsam näher rückende Entfernen der Seele aus dem Körper“, wie die Künstlerin Nurith Wagner Strauss selbst sagt. Der tätowierte Mann im Hintergrund ist übrigens nur eine Spiegelung ?.

Nurith Wagner Strauss: Gel(i)ebtes Leben: Ruth Appel, 2017

Gleich daneben finden wir „Zelda Kaplan, 2002“ aus Joyce Tennesons „Wise Woman“ Serie. Ich kannte den Namen Zelda Kaplan noch nicht – eine Bildungslücke wie sich im Zuge der Recherche herausstellt. Eine Fixstarterin in den Nachtclubs New Yorks, zumeist in afroamerikanischem Outfit zu sehen, die sich neben ihrem Fashionista-Leben auch für mehr Menschlichkeit einsetzte, hat eine eigene Dokumentation und starb im Alter von 95 Jahren auf dem Runway der New York Fashion Week. What a life… (für die jüngeren LeserInnen: was für 1 Leben!).

Joyce Tenneson: Zelda Kaplan, 2002

Spooky und großartig zugleich: die Videoprojektion „Gone“ auf Tapisserie von Nives Widauer, die in ihren Arbeiten immer mit der Diskrepanz zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, zwischen dem Realen und dem Irrealen arbeitet.


 

 


Auch vor diesem Bild von Eric Fischl bin ich lange gestanden. Die gedämpften Farben wirken beruhigend und auch wenn der nackte Mann an sich gar nicht auffällig ist (oder genau deswegen) entwickelt man eine gewisse Sympathie mit dem alten Körper. Die Darstellung trifft den Titel perfekt wie ich finde: Frailty is a Moment of Self Reflection.

Eric Fischl: Frailty is a Moment of Self Reflection, 1996, Öl auf Leinwand

Viel Haut gibt es auch bei Joan Semmel zu sehen, die mit mehreren Werken vertreten ist. Ihre Malpraxis beschäftigt sich intensiv mit dem Körper – von Lust bis Alter, von Identität bis kulturelle Prägung. Im Werk „Aura“ verlässt die Protagonistin ihre Aura. Stelle ich mir praktisch vor – einfach mal so das Gewohnte verlassen zu können.

 „Art has idealized the body, the subject, and the sexualized image for so long“, and in response Semmel captures her own body, the aging body, a specific body. A body not idealized. Now in her ’80s, Semmel unabashedly reveals every curve, crevice, and fold of her older physique.Gallery Gurls

Joan Semmel, Aura, 2016

Christine Turnauers Doppelportraits sind fast schon hyptnotisierend. Man starrt es an und will sich zu Mutter und Tochter dazukuscheln. Soviel Stolz, Würde und Liebe in einem Bild!

 

Die Ausstellung bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte an das Thema Alter und Altern und auch wenn es sich um ein oft auch trauriges Thema handelt, verlässt man Aging Pride doch mit einem sehr positiven Gefühl und dem Wissen, das man in der Konfrontation mit dem Alter nicht alleine ist.

Es ist übrigens ein Zufall, dass ich überwiegend grau/schwarz-weiss Bilder als Highlights ausgewählt habe. Es gibt in Aging Pride auch wirklich viel Farbe! Die Ausstellung Aging Pride (Die Kraft des Alters) ist noch bis 4. März 2018 im Unteren Belvedere zu sehen. Wer mit Kindern kommt: es gibt viel nackte Haut zu sehen. Mehr Infos zur Ausstellung und Öffnungszeiten gibt es auf der Website des Belvedere.

 

Kommentare (4)

  1. Pinkback: Interview: Fotografin Nurith Wagner-Strauss – Fridays at the museum

    • Pinkback: Vik Muniz zeigt seine Serie Verso im Oberen Belvedere

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