Belvedere21: Polly Apfelbaum und Der Wert der Freiheit

Na gut, beide aktuellen Ausstellungen vom Belvedere21 in einem Artikel zu „verwurschteln“ ist vielleicht etwas ambitioniert, aber #timeismoney und meine Aufmerksamkeit ein knappes Gut. Und ihr werdet mir ja jetzt eh nicht erzählen wollen, dass ihr 2x hintereinander ins Belvedere21 geht und euch die Ausstellungen getrennt voneinander anschaut. Eben, natürlich macht ihr das in einem Aufwasch!

Happiness Runs oder Ich hoffe, du besitzt schöne Socken

Beginnen wir mit der für mich leichter zu verarbeitenden Polly Apfelbaum-Ausstellung im Obergeschoss. Eine Einzelausstellung mit 6 Werken, die jeweils für verschiedene andere Ausstellungen konzipiert wurden und die nun erstmalig gemeinsam gezeigt werden. Und wie sie gezeigt werden! Das Belvedere21 hat sich seiner Stellwände entledigt und man kann den früheren Weltausstellungs-Pavillon in seiner vollen, lichtdurchfluteten Schönheit genießen. Und natürlich auch perfekt für die Präsentation der Werke von Frau Apfelbaum (zugegeben: ich leide ein wenig unter Namensneid). Und wenn ihr jetzt an stinknormale Teppiche denkt, liegt ihr falsch – bei den Werken handelt es sich um raumgreifende Installationen, ja fast Skulpturen, die auch als fallen paintings bezeichnet werden. Die Künstlerin experimentiert hier mit Keramik, Textil, Papier und handgewebten Teppichen.

Polly Apfelbaum rückt ihr Kunstwerk zurecht

Die Künstlerin widmet sich ihrem Werk auch bei der Eröffnung. Polly Apfelbaum im Belvedere21: Happiness Runs, Foto: fridays at the museum

Einfach nur schön: befreit von Stellwänden. Polly Apfelbaum im Belvedere21: Happiness Runs, Foto: fridays at the museum

Die Teppiche werden in Mexiko von männlichen Arbeitern produziert – das erscheint in Zeiten wie diesen fast ironisch, wird die Herstellung textiler Kunstwerke hauptsächlich Frauen zugeschrieben. 😛

Ich hab die Füße schön! Polly Apfelbaum im Belvedere21: Happiness Runs, Foto: fridays at the museum

Die Kunstwerke dürfen betreten werden. Man kann sie sich von der Nähe anschauen oder sich hinsetzen und z.B. über Kunst nachdenken. Nur die Schuhe müssen draußen bleiben, also hübsche Socken nicht vergessen oder darauf hoffen, dass noch ein paar der coolen Badelatschen übrig sind!

Der Wert der Freiheit

In meinen Instagram-Stories gibt es viele Details zur Gruppenausstellung zu sehen. Hier möchte ich ein paar übergreifende Gedanken loswerden: ich persönlich finde es schwierig Ausstellungen anzusehen, die soviele unterschiedliche KünstlerInnen und Zugänge zeigen. Das übergeordnete Thema „Der Wert der Freiheit“ ist aber definitiv brandaktuell und ein Museum für zeitgenössische Kunst ist jedenfalls der richtige Ort für eine Auseinandersetzung mit Grenzen, die eine Gesellschaft setzt bzw. gesetzt bekommt. Was also tun mit einer Schau, die ein bisschen overwhelming ist? Klar: die Werke rauspicken, die einen visuell ansprechen und sich damit näher beschäftigen. Herausfinden wer der Künstler ist (leicht, steht ja auf der Werksbeschreibung neben der Kunst) und interpretieren, was das Werk für einen selbst bedeutet. Wie schon öfter greife ich also einige Arbeiten exemplarisch heraus, um euch meine Eindrücke weiterzugeben:

Crowd, Eva Grubinger
Das Absperrband, gleich beim Eingang den Ausstellungsraum verwirrt erstmal. Man denkt: „Ist ja gar nichts los hier, wen wollen die bändigen?“. Und ein paar Sekunden später die Erleuchtung: ah, es handelt sich um eine Installation von Eva Grubinger, die die „funktionslose Lenkung die strukturelle Macht“ sichtbar machen will. Hat bei mir bestens funktioniert…ups.

When Freedom Exists, There Will Be No State, Hannes Zebedin
Diese Ziegelstein-Formationen kenne ich als Landlerin natürlich von landwirtschaftlichen Gebäuden. Üblicherweise wird hier ein gefälliges Muster gezeigt. Hannes Zebedin hat ein Zitat von Lenin bzw. eine Idee von Friedrich Engels von 1875 verwendet. Der Staat sollte vom Proletariat als ein Machtinstrument eingesetzt werden – und zwar so lange bis Freiheit erreicht ist. Ich stelle mir das als subversives Mittel im Kampf gegen die staatliche Eingrenzung in <repressiven Staat deiner Wahl einfügen> vor: man denkt sich nichts, fährt oder spaziert übers Land und dann so eine Botschaft am Stadl…

Again Audience, Performance
Das Again Audience Vehikel ist ein Widerspruch in sich. Eine mobile Rednerbühne mit integriertem Absperrband. Zur Eröffnung der Ausstellung gab es eine Liveperformance, die auf dem Tablet zu sehen ist (zum Nachsehen auf der Facebook Page des Belvedere21). Was ich daran spannend finde, ist genau diese Unstimmigkeit: allzeit bereit für eine Rede in der Öffentlichkeit, die dann aber genau durch die Absperrung eingeschränkt wird. Also quasi freie Rede“ aber nur bis hier und nicht weiter oder natürlich auch die andere Sicht – es geht gar nicht um freie Rede, sondern um die Proklamation der eigenen Inhalte (der Sender sei jetzt mal dahingestellt) und die Zuhörer werden von der Interaktion, der Kritik ausgesperrt.

Dikatur des Likens, Anna Meyer

Skurril und trashig kommt die Installation „Diktatur des Likens“ daher. Aber nur auf den ersten Blick. Schon beim zweiten fühlt man sich erwischt, kennt man ja sein eigenes Verhalten im Social Web und weiß wie die großen Konzerne mit unseren Daten agieren. Trotzdem kann man sich gar nicht oder nur schwer davon losreissen. Meyer karikiert Technikgläubigkeit und verbindet dieses mit religiösen Elementen. Like mich am Arsch…muss ich mir merken…

Es gibt noch viel mehr zu entdecken – über 50 Arbeiten wurden für diese Gruppenausstellung kuratiert. Viele davon finden sich in Videozusammenschnitten wieder. Zugegebenermaßen nicht mein Lieblingsmedium in Ausstellungen, da ich inmitten sovieler visueller Anknüpfungspunkte einfach nicht die Ruhe finde, mich vor einen Screen zu stellen und mich auf die Inhalte zu konzentrieren. Außer vor den Herrn Schlingensief und seine Kirche der Angst. Für ihn setze ich auch als 200. Person die Kopfhörer auf #youaremissed.

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Polly Apfelbaum gibt es bis 13.01 und den Wert der Freiheit bis 10.2. zu sehen. Rund um die Ausstellungen gibt es wie immer zahlreiche Talks, Führungen und Diskussionen. Mehr Infos dazu und zu den Öffnungszeiten gibt es auf der Website des Belvedere21.

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